Published May 28th, 2024

Temporäre Universität Hambach 2024

Temporary University Hambach 2024

Podcast in German: Georg Gelhausen, Dr. Manfred Körber und Dr. Anika Noack
May 16 2024

The Temporary University Hambach is an innovative format for cooperation and collaboration, mutual learning, encounters and the organisation of people, initiatives and institutions that are committed to the long-term success of structural change in the Rhenish lignite mining region. Under the motto “Do something, join in!”, the tu! 2024 project days will take place in June – a joint initiative of the RWTH with the transformation platform REVIERa, Neuland Hambach GmbH and the municipality of Merzenich with the BBSR – Federal Institute for Research on Building, Urban Affairs and Spatial Development Cottbus, Aachen University of Applied Sciences, the LVR –Rhineland Regional Council and the ZRR – Rhineland Future Agency. Georg Gelhausen, Manfred Körber and Anika Noack talk to Agnes Förster about the tu! 2024’s potential to give new impetus to the ongoing process of structural change – both locally in the future location of Morschenich -Alt and in the nationwide networking and knowledge exchange with the mining regions of Central Germany and Lusatia.

Die Temporäre Universität Hambach ist ein innovatives Format der Kooperation und Kollaboration, des wechselseitigen Lernens, der Begegnung und Gestaltung von Menschen, Initiativen, Institutionen, die sich langfristig für das Gelingen des Strukturwandels im Rheinischen Braunkohlerevier engagieren. Unter dem Motto „Tu was, mach mit!“ finden im Juni die Projekttage der tu! 2024 statt – in gemeinsamer Initiative der RWTH mit der Transformationsplattform REVIERa, der Neuland Hambach GmbH und der Gemeinde Merzenich mit dem BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung Cottbus, der FH Aachen, dem LVR – Landschaftsverband Rheinland und der ZRR – Zukunftsagentur Rheinisches Revier GmbH. Georg Gelhausen, Manfred Körber und Anika Noack sind im Gespräch mit Agnes Förster über die Potenziale der tu! 2024, um Impulse im laufenden Strukturwandelprozess zu setzen – vor Ort im Zukunftsort Morschenich-Alt genauso wie in der bundesweiten Vernetzung und im Wissensaustausch mit den Revieren in Mitteldeutschland und in der Lausitz.

Wie werden Hochschulen und Forschung wirksam in der Praxis? Wie kann es gelingen, Studierende und wissenschaftlichen Nachwuchs an einen Tisch zu bringen mit lokalen und regionalen Akteuren aus Verwaltung, Politik, Unternehmen und Zivilgesellschaft? Mit der tu! 2024 öffnen sich Hochschulen und Forschungseinrichtungen den Menschen, Initiativen, Einrichtungen in der Region und ihren Anliegen, Wissens- und Innovationsbedarfen im laufenden Transformationsprozess, der vom nahenden Braunkohleausstieg im Jahr 2030 angestoßen wird. Die tu! Hambach 2024 bietet an vier Projekttagen von 12. bis 15. Juni ein dichtes Programm mit rund 40 verschiedenen Beiträgen: Vorträge, Seminare, ein Symposium, Workshops, Design Studios und Bauprojekte, Ausstellungen et cetera. Der Ort der tu! 2024 ist symbolträchtig: das einst leergezogene Dorf Morschenich-Alt wird sich zu einem Ort der Zukunft entwickeln. Mittendrin, im Reiterhof, findet die tu! 2024 statt. Das ist in direkter Nachbarschaft zum Tagebau Hambach und gelegen an einem Ort, der im Zuge der konflikthaften Auseinandersetzungen um das Ende der Kohleverstromung bundesweit bekannt geworden ist.

Mir war klar, dass dieser Ort – Morschenich-Alt – etwas Besonderes sein muss, wie man sich innovative Lösungsansätze vorstellen kann für künftiges Wohnen, Leben und Arbeiten und auch für einen vernünftigen Umgang mit Ressourcen in verschiedenen Handlungsfeldern, sei es im Städtebau, in der Landwirtschaft, im Dorfleben.

Georg Gelhausen 05/2024

Uns hat das kollaborative Format begeistert, also dass viele Akteure zusammenkommen, die auch ganz unterschiedliche Interessen haben, auch Interessen, die auf den ersten Blick nicht ganz miteinander vereinbar erscheinen. Aber umso wichtiger ist das dann, in den Dialog zu gehen und voneinander zu lernen. Und wir fanden von Beginn an besonders, dass es transdisziplinär ist, also dass Wissenschaft und Praxis aufeinandertreffen.

Anika Noack 05/2024

Strukturwandel ist so etwas wie ein Reallabor, nicht nur für wirtschaftliche und technische Entwicklungen, sondern es ist auch ein Reallabor dafür, wie es mit unserer Gesellschaft eigentlich weitergeht. (…) Die sozialökologischen Herausforderungen greifen tief in die Gesellschaft ein. (…) Dazu braucht es Akteure, die mitgestalten.

Manfred Körber 05/2024

Für die Gestaltung der tu! Hambach haben die Beteiligten gemeinsam drei Prinzipien entwickelt: Erstens werden Lernen, Gestalten und Erleben eng miteinander verbunden, zweitens wird die Netzwerkbildung von lokal bis regional gestärkt und drittens wird Raum für vielfältige Perspektiven und Kooperation auf Augenhöhe gegeben. Im Vordergrund der tu! stehen Neugier, der offene, interessierte Austausch und eine wertschätzende Kultur der Debatte. Das Verhältnis zwischen vor Ort sein, die unmittelbaren, lokalen Bedarfe erkunden und erlebbare Aktivitäten und Räume gestalten und dem Aufspüren und Debattieren übergeordneter Forschungs-, Gestaltungs- und Steuerungsfragen spiegelt die grundlegende Fragestellung nach dem Verhältnis von Top-down und Bottom-up-Ansätzen in Strukturwandelprozessen wider.

Wir sehen, dass die Länder verstanden haben, wie wichtig die kleinen Aktivitäten sind, die den Menschen das Gefühl geben, ein Teil des Prozesses zu sein. Und mit den Revier-Pionieren in Sachsen-Anhalt oder mit dem Bürgerfonds, der in Brandenburg aufgesetzt werden soll, sind das eben auch Vorhaben, um diese kleinteiligen Maßnahmen voranzubringen. Die Verzahnung von beidem – Top-down und Bottom-up – das muss uns noch besser gelingen im Strukturwandel.

Anika Noack 05/2024

Top-down oder Bottom-up – es gibt für mich kein entweder oder, sondern ein sowohl als auch, das heißt von jedem die richtige Dosierung, daraus wird dann ein gutes Rezept. (…) Die Ziele können nur umgesetzt werden von Menschen. (…) Wir brauchen ein gutes Zusammenspiel der Akteure. (…) Und die tu! Hambach ist ein Instrument, um innovative Ansätze an den Ort zu bringen.

Georg Gelhausen 05/2024

Konzeptionell ist es wichtig, dass das Thema Innovation (…) nicht nur ein rein ökonomisch besetztes Thema ist, sondern dass wir stärker von sozialer Innovation reden. Denn dieser Fokus auf soziale Innovation, das erscheint mir ein Themenbereich zu sein, das bisher unterbelichtet ist im Strukturwandel, der aber ganz wesentlich dafür ist, wie denn in Zukunft in den Strukturwandelregionen auch gelebt werden soll. (…) Und das können wir vor Ort viel stärker ausprobieren. Da sind die Partner, die sich in der tu! Hambach gefunden haben, die richtigen, mit denen wir da weiterdenken können.

Manfred Körber 05/2024

Die Idee der tu! ist es, Lehre und Forschung stärker in die Praxis zu öffnen und ins Tun, in die Gestaltung zu kommen. Gerade dafür ist der transdisziplinäre Ansatz bedeutend, also die Zusammenarbeit mit Menschen aus dem Revier. Denn Machen tun Menschen und das sind die Menschen vor Ort. Und damit begibt sich Forschung hinein in gesellschaftliche und politische Prozesse. Diese waren im Rheinischen Revier mitunter von starken Konflikten geprägt – und auch in Zukunft stehen Aushandlungsprozesse zu bedeutenden Zukunftsthemen an.

Deshalb ist es auch so wichtig – und da gibt die tu! das Motto vor – wir müssen wirklich ins Handeln kommen, jenseits von wichtiger Vernetzung und kommunikativen Verabredungen. Dieser Gestaltungs- und Mitmachaspekt, der ist gerade in dieser Prozessphase wichtig. Wir sind ja nicht mehr am Anfang, sondern mitten im Prozess, wir benötigen nun sichtbare Ergebnisse.

Anika Noack 05/2024

Es braucht Räume, in denen Konflikte nach wie vor bearbeitet werden können. (…) Wir sind ja nach wie vor in der Region in Konflikten drin. Wenn Sie die Themen Boden oder Flächen sehen, wofür wir die Flächen einsetzen (…). Diese ganzen Fragen sind hoch virulent in der Region und führen schon wieder zu neuen Konflikten.

Manfred Körber 05/2024

Ich stehe ein Stück weit für Beteiligung und ich gehe Konflikten nicht aus dem Weg. Ich versuche, diese zu adressieren und Lösungen zu finden. Da ist ein wertschätzender Umgang mit den Partnern wesentlich. (…) Die Auseinandersetzung mit großen Polizeieinsätzen, wie wir sie im Oktober 2018 im Höhepunkt erlebt haben, die will keiner mehr. Wir müssen andere Wege finden. (…) Entscheidend ist der Dialog.

Georg Gelhausen 05/2024

Das vollständige Programmheft zur tu! 2024 finden Sie hier: https://www.reviera.rwth-aachen.de/global/show_document.asp?id=aaaaaaaaclhrxwz

Georg Gelhausen ist Bürgermeister der Gemeinde Merzenich und vor Ort mit den räumlichen, ökologischen, sozialen und ökonomischen Perspektiven nach der Stilllegung des direkt angrenzenden Tagebaus Hambach betraut.

Dr. Manfred Körber leitet das Nell-Breuning-Haus mit dem Motto „Menschen begeistern“ und ist in dieser Funktion ebenso Träger der Demokratiewerkstatt Rheinisches Revier – zusammen mit der Landeszentrale für Politische Bildung NRW.

Dr. Anika Noack verantwortet das Referat Transformation im Kompetenzzentrum Regionalentwicklung (KRE) des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in Cottbus. Das KRE begleitet die Braunkohleregionen im Rheinischen, im Mitteldeutschen und im Lausitzer Revier auf ihrem Ausstiegspfad durch wissenschaftliche Expertise, praktische Begleitung und Politikberatung.